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Paula

Unser Alltag mit einem Schaki

Kurz zu uns - wir sind vermutlich das klassische Bild einer Familie. Die Eltern, beide berufstätig, zwei Kinder und ein Hund. Wir leben in einem Haus mit Garten in einer Kleinstadt.

Der zweitschönste Moment stand kurz bevor, die Geburt meines zweiten Kindes. Die Schwangerschaft war super. Alles war entspannt und lief so, wie es eben sein sollte. Die Wehen setzten zum Termin ein. Im Krankenhaus ging dann alles ganz schnell. Schlechte Werte und Notkaiserschnitt unter Vollnarkose. Als ich zu mir kam, war meine Tochter nicht bei mir. Die Schwester sagte mir, sie wird noch untersucht. Dann kam zeitnah der Arzt, er begann den Satz mit "wir haben einen Kopfultraschall gemacht, da ist etwas, was da nicht sein sollte, ein Teil des Gehirns ist nicht intakt... es deutet alles auf einen vorgeburtlichen Schlaganfall hin"... Ab diesem Zeitpunkt habe ich nicht mehr zuhören können. Tausende Fragezeichen im Kopf, die Ungewissheit was auf uns zukommen wird und die Frage "warum gerade wir"; aber uns war klar, wir müssen das Beste draus machen und wir schaffen das als Familie schon irgendwie.

Die ersten Monate

beziehungsweise Jahre waren sehr anstrengend und ein für mich als Mutter stetiger Lernprozess. Plötzlich musste ich mich mit der Krankenkasse wegen der Hilfsmittel auseinandersetzen, oder Anträge bezüglich der Schwerbehinderung stellen. Mit so etwas musste ich mich vorher nie beschäftigen. Auch heute ist es immer noch so, dass ich froh bin, dass uns die Frühförderstelle mit Rat und Tat zur Seite steht.

Paula ist mittlerweile 3 Jahre und ein fröhliches Kind. Sie ist frech, lustig, freundlich und ein echter Sonnenschein. Sie kann aber auch zickig und sehr bestimmend werden. Ich glaube, das liegt wohl am Alter. Wir versuchen dennoch konsequent zu sein und sie ganz normal, wie ihren Bruder auch, zu erziehen. Sie soll nicht das Gefühl bekommen, dass sie eine "Sonderbehandlung" auf Grund des Handicaps bekommt... obwohl ich gestehen muss, dass es mir bei ihr schon schwerer fällt, "nein" zu sagen.

Wir lieben sie und möchten sie nicht missen. Dennoch mussten wir unser komplettes Leben einmal umkrempeln. Vollzeit arbeiten war nun nicht mehr möglich. Ich gehe Teilzeit arbeiten, um genügend Zeit für die Therapien und Arzttermine zu haben. Ich muss dazu sagen, dass ich wirklich eine ganz tolle Chefin habe, welche wirklich sehr verständnisvoll ist und mir immer den Rücken freihält. Die Arbeit aufzugeben, kam für mich nicht in Frage. Ich liebe meinen Job und brauche diesen auch als Ausgleich zu meinem Alltag zuhause.

Am Nachmittag

stehen neben Routinearztterminen auch Physiotherapie auf dem Plan. Neben Bobath in der Physiopraxis, welche wir direkt ein paar Wochen nach der Geburt begonnen haben, machen wir zusätzlich eine Reittherapie, um das Gleichgewicht besser zu trainieren. Ich kann die Reittherapie wirklich jedem ans Herz legen. Die Mischung aus Gleichgewicht, kleinen Übungen und dem Zusammenspiel zwischen Kind und Pferd ist wirklich ganz toll. Da die Therapien nicht bei uns im Ort stattfinden können, haben wir zusätzlich immer noch knapp 20 Minuten Fahrzeit.

Paula wird während des Tages im Kindergarten durch eine Inklusionshelferin begleitet. Dies ist auf Grund der fehlenden Mobilität sehr wichtig. Sie erhält einmal die Woche während des Vormittags Frühförderung und einmal Logopädie. Die Logopädie ist für uns sehr förderlich, da ihr Wortschatz recht begrenzt ist. Sie versteht jedes Wort von uns und kann fast jede Aufgabe umsetzen. Dennoch umfasst der Wortschatz zw. 10 und 15 Worten. Dazu gehören Mama, Papa, Oma, Opa, Ja, Nein, Aua, hop hop, Wau Wau, Eis, heiß und noch ein paar Abwandlungen, die wahrscheinlich nur wir als Eltern verstehen.

Regelmäßige Termine

beim Neurologen, im SPZ, dem Augenarzt und in der Epilepsiesprechstunde sind ebenfalls an der Tagesordnung.
Nicht zu vergessen der Orthopäde und der Rehatechniker - man hat hier mittlerweile schon das Gefühl zu Freunden zu fahren, weil man sich so oft sieht. Paula hatten Orthesen und trägt aktuell Nachlagerungsschienen. Für mich ist das ein wichtiger Punkt, denn die Füße müssen gut versorgt sein. Paula hat durch die Spastik einen "Spitzfuß". Da die Orthesen bei ihr leider ihre Wirkung verfehlt haben, haben wir uns zu einer Botoxbehandlung entschlossen. Unsere erste Behandlung ist jetzt 4 Wochen her und ich bin jetzt schon sehr begeistert. Schon jetzt ist vom Spitzfuß nichts mehr zu sehen und die gesamte Fußfläche berührt den Boden.

Paula kann bisher noch nicht eigenständig laufen, bewegt sich aber auf ihre eigene Art fort. Sie rutscht auf dem Po oder läuft auf den Knien. Sie läuft, wenn auch wackelig, an der Hand. Das ist für mich das schönste, zumal die Ärzte immer gesagt haben, dass es nicht gewiss ist, ob sie je laufen wird. Allgemein muss man sagen, dass sie in ihrer Entwicklung den gleichaltrigen Kindern doch sehr nachhängt.

Alles andere ist wie bei allen anderen Familien auch. Wir versuchen als Familie viel Zeit zusammen zu verbringen, fahren in den Urlaub und machen Ausflüge. Wir machen sehr gern Radtouren und spielen Gesellschaftsspiele - alles ganz normal. Ich versuche natürlich auch Lernspiele, welche ihre Geduld und ihre Fingerfertigkeit fördern, in unseren Alltag einzubauen. Dieses ist natürlich wie bei jedem anderen Kind, egal ob mit Handicap oder ohne, tagesformabhängig.

Ein ganz normaler Tag

in unserem Alltag sieht wie folgt aus:
Paula und ihr Bruder müssen beide um 6 Uhr aufstehen. Nach dem Anziehen wird gefrühstückt und Zähne werden natürlich geputzt. Nun nur noch die Medikamente einnehmen und los geht es kurz nach 7 Uhr in den Kindergarten, bzw. der große in die Schule und wir als Eltern zur Arbeit. Der Tag im Kindergarten endet für Paula im Schnitt um 15 Uhr. Jetzt fahren wir schnell noch in den Supermarkt, um ein paar Möhren zu kaufen und dann geht es auch schon weiter zur Reittherapie. Wir müssen uns beeilen, denn 16 Uhr geht es schon los. Während Paula auf dem Pferd sitzt, schaue ich von der Seite zu und freue mich, weil ich sehe, wie glücklich sie ist. Es ist kurz nach 17 Uhr, wir kommen zu Hause an. Wenn das Wetter es zulässt, gehen wir noch kurz in den Garten, um im Sandkasten zu spielen oder noch eine kleine Runde spazieren. Ansonsten vertreiben wir uns mit dem Spielen im Haus noch ein wenig die Zeit. Neben dem eigentlichen Spielen bereite ich das Abendessen vor, damit wir alle 4 als Familie pünktlich um 18 Uhr essen können. Natürlich beginnen wir jedes gemeinsame Essen mit einem Tischspruch, ohne diesen geht bei uns nix los. Um 19 Uhr wird Paula bettfertig gemacht und spätestens 19.30 Uhr liegt sie im Bett. Sie hat zwar ein eigenes Zimmer, allerdings wird dieses nur zum Spielen genutzt. Sie schläft bei uns im Schlafzimmer, in einem ans Bett geschobenen Beistellbett. Jeder Abend verläuft bei uns gleich: einer von uns geht mit ihr ins Bett und bleibt bei ihr, bis sie eingeschlafen ist. Natürlich singen wir noch Lieder und kuscheln ausgiebig. Auf Grund der Epilepsie haben wir es noch nicht übers Herz gebracht, sie nachts komplett in ihrem Zimmer schlafen zu lassen. Wir geben uns diesbezüglich Zeit, irgendwann kommt das von ganz allein. Im Schnitt schläft Paula nach 30 - 45 Minuten ein und wir als Eltern haben noch ein bisschen Zeit um zu verschnaufen und auch mal abzuschalten.
Es gibt Tage, die sind echt sehr anstrengend und man fällt todmüde ins Bett - es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass alles immer einfach ist. Aber es lohnt sich Tag für Tag und wir erfreuen uns an den kleinen Fortschritten, welche sie macht. Wir alle mussten lernen, geduldig zu sein.
Ich denke viel über die Zukunft nach. Was wird auf uns zukommen? Wie geht es mit der Schule weiter? Wird sie je allein ihr Leben meistern? Keiner kann mir eine Antwort auf diese Fragen geben. Wir lassen das auf uns zukommen und tun unser Möglichstes, um sie zu unterstützen und zu fördern.

Ich glaube, wir als Familie sind stärker zusammengewachsen und erleben viele Dinge mittlerweile viel bewusster und intensiver.
(Stand 01/2021)